Die persönliche Darstellung in sozialen Medien ist mittlerweile fester Bestandteil im Alltag vieler Menschen. Diese Entwicklung macht auch vor der beruflichen Stellung und Funktion nicht halt. Auch Verwaltungsräte, Geschäftsführer, Beiräte sind, wie alle anderen Mitarbeiter,[1] schliesslich menschlich. Für CEO-Influencing gibt es gute Gründe. Posts in sozialen Medien erreichen schnell und kostenlos eine grosse Menge von potenziellen Kunden. Die Reputationen eines Unternehmens kann so schnell geformt und gesteigert werden. Unternehmen werden mittlerweile häufig wegen ihrer öffentlichen Darstellung und immer weniger anhand ihres Waren- oder Dienstleistungsangebots gesucht und/oder gefunden.
Zudem ergibt sich beim CEO-Influencing die Möglichkeit einer direkten und authentischen Kommunikation. Ein Arbeitgeber kann sich als innovativ und mitarbeiterfreundlich darstellen. Einblicke in den Alltag eines CEO verleihen dem Unternehmen eine menschliche Note und schaffen Authentizität, Mitarbeiter- und Kundenbindung und dienen dem Networking. Zudem können sich die CEOs mit Fachwissen, Branchenexpertise und Neuigkeiten aus dem Unternehmen einer breiten Öffentlichkeit gegenüber positionieren. CEOs mit besonders grosser Reichweite können ganze Branchenschicksale, Börsenkurse (nicht nur der Unternehmen, die sich vertreten) und sogar gesamtwirtschaftliche und politische Stimmungen beeinflussen.
Doch die positiven Aspekte einer öffentlichen Präsenz von Mitarbeiter und der Unternehmensleitung in sozialen Medien können schnell in das Gegenteil verkehrt werden. Vor allem bei persönlichen Meinungsäusserungen zu gesellschaftlichen Entwicklungen und dem Tagesgeschehen besteht hier eine nicht zu unterschätzende Gefahr. So hat der Beitrag eines Fussballprofis in Deutschland zum Israel-Palästina-Konflikt unlängst für kontroverse Diskussionen gesorgt. Mein Kollege Prof. Dr. Michael Fuhlrott berichtete hierzu (https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:7120779051803234305/).
Social-Media-Posts können auch schnell für innerbetriebliche Unruhen und (arbeits-)rechtliche Streitigkeiten sorgen. In der Praxis ist es in jüngerer Vergangenheit zu Abmahnungen und sogar Kündigungen gekommen. Doch wie ist die Rechtslage in Fällen, in denen (leitende) Mitarbeiter soziale Medien während der Arbeitszeit nutzen und persönlich zu Themen, die öffentlich debattiert werden, in kontroverser Weise Stellung beziehen? Wie kann die Verwendung sozialer Medien im Arbeitsverhältnis generell geregelt werden? Hat der Arbeitgeber ein Bring Your Own Device – Konzept eingeführt, treten zudem arbeitsrechtliche Fragen bei der Nutzung des auch betrieblich genutzten Endgerätes für Kommunikation auf Sozialen Medien des Angestellten auf.
Weisungsrecht des Arbeitgebers
Während der Arbeitszeit ist der Arbeitnehmer vertraglich verpflichtet, dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung zur Verfügung zu stellen, die ihm übertragenen Aufgaben im Sinne der Weisungen des Arbeitgebers sorgfältig zu erledigen und die Interessen des Arbeitgebers zu wahren. Der Arbeitgeber hat diesbezüglich ein gewisses Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer, Art. 321d OR. Demnach kann der Arbeitgeber die Nutzung sozialer Medien während der Arbeitszeit grundsätzlich auch verbieten oder sogar, auf gewisse Tätigkeiten und durch die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers begrenzt, den Arbeitnehmer hierzu anzuweisen.
Social-Media-Richtlinien
Um den Umgang mit sozialen Medien bestmöglich zu orchestrieren und um Risiken einzudämmen, empfiehlt sich der Erlass einer Social-Media-Richtlinie. Hierin sollte explizit festgehalten werden, ob und wenn ja, welche Nutzung gestattet oder erwünscht ist und welche unterlassen werden sollte. Die Richtlinien sollten zudem explizit die Kontroll- und Sanktionsrechte des Arbeitgebers definieren und auch Behandlung der Nutzung von sozialen Medien beim Austritt eines Arbeitnehmers regeln. Diese Richtlinien sollten keinesfalls starr sein, sondern einer stetigen Kontrolle unterliegen und im Bedarfsfall auf die Anforderungen des Unternehmens angepasst werden. Neue Mitarbeiter sollten die Kenntnisnahme der Richtlinien gleich beim Eintritt in das Unternehmen quittieren. Allfällige Änderungen müssen wahrnehmbar bekannt gegeben werden.
Sanktionen
Bei Verstössen des Arbeitnehmers gegen die Weisungen des Arbeitgebers kann dieser den Arbeitnehmer abmahnen. Bei fortgesetzter Missachtung kann dem Arbeitnehmer gekündigt werden. Im schlimmsten Fall macht sich ein Arbeitnehmer sogar schadenersatzpflichtig, Art. 321e OR. Die Hürden für eine fristlose Entlassung sind in derlei Sachverhalten jedoch hoch. Bereits im Jahr 2008 hat das Bundesgericht hierzu entschieden, dass auch der übermässige Gebrauch von sozialen Medien, trotz vorgängiger Verwarnung, keine fristlose Kündigung rechtfertigte (Bundesgericht Urteil vom Urteil vom 24. November 2008, Az.: 4A_430/2008). Dem Arbeitgeber bliebe hier nur die Option, den Arbeitnehmer zunächst abzumahnen oder die Lohnzahlungen vorerst einzustellen. Hier, wie bei einer fristlosen Kündigung, würde er jedoch erheblichen Beweisschwierigkeiten begegnen. Schliesslich dürfen Überwachungs- und Kontrollsysteme, die das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen sollen, grundsätzlich nicht eingesetzt werden, Art. 26 Abs. 1 ArGV 3.
Wie ist das mit der Meinungsfreiheit?
Die Bundesverfassung schützt das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit. Hiernach hat jede Person das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten, Art. 16 Abs. 2. Eine Kündigung wegen dem Inhalt eines Social-Media-Posts wäre demnach rechtsmissbräuchlich, wenn ein Arbeitnehmer sein verfassungsmässiges Recht ausübt, Art. 336 lit. b OR. Erst, wenn die Ausübung des verfassungsmässigen Rechts des Arbeitnehmers dessen Pflichten aus dem Anstellungsverhältnis verletzt oder die Zusammenarbeit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt, greift der Einwand der Meinungsfreiheit nicht mehr.
Schädliche Äusserungen über den Arbeitgeber selbst oder dessen Angestellte können eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dies gilt auch für eine im analogen Raum zulässige Kritik. Was im Pausenraum in einem bilateral geführten Gespräch noch hinzunehmen ist, unterliegt bei einer öffentlichen Entäusserung anderen Regeln. Wird diese Kritik über soziale Medien einer breiten Öffentlichkeit gegenüber geäussert, kann dies ein Verstoss gegen die Treuepflicht des Arbeitnehmers darstellen. Ebenso dürfte es sich für beleidigende Äusserungen verhalten. Betriebsgeheimnisse auf sozialen Medien preiszugeben, ist sicherlich eine Rechtfertigung für eine fristlose Kündigung. Ebenso verhält es sich mit der Veröffentlichung unrichtiger oder irreführender Informationen.
Bei der Verwendung sozialer Medien kommt es, neben dem Inhalt, auch entscheidend auf den Kanal und die genaue Form der Veröffentlichung an. Ein Post auf dem eigenen Profil wird anders zu bewerten sein als eine Äusserung in einem geschlossenen Chat mit fünf oder weniger Teilnehmern. Besonders kritisch wird es beim Drücken des „Like-Buttons“ unter einem kontroversen Post. Hier wird die Einzelfallprüfung eine besondere Sorgfalt erfordern.
Was bedeutet das für leitende Mitarbeiter
Für Posts von leitenden und/oder sehr bekannten Mitarbeitern gelten, aufgrund der höheren Wahrnehmung durch Unternehmensexterne, auf allen Prüfungsstufen sensibleren Grenzen zu ihren Pflichten aus dem Anstellungsverhältnis oder der Zusammenarbeit im Betrieb. Da auch die öffentliche Wahrnehmung wechselt und damit der öffentliche Wertekanon einer gewissen Volatilität unterliegt, muss hierbei auch stets auf alle in Betracht kommenden externen Faktoren abgestellt werden, die einen Post als Pflichtverletzung aus dem Anstellungsverhältnis oder eine wesentliche Beeinträchtigung der Zusammenarbeit im Betrieb qualifizieren könnten.
Leitende Angestellte mit grosser Reichweite tragen oft selbst zur Reputationsbildung der repräsentierten Unternehmen bei. Veröffentlichen leitende Angestellte einen schädlichen Post, nimmt die Reputation spiegelbildlich Schaden. Ein verursachter Reputationsschaden (ob beabsichtigt oder nicht) ist ebenfalls ein Verstoss gegen die Treuepflichten des Arbeitnehmers und rechtfertigt arbeitsrechtliche Sanktionen. Wie gesehen, ist das Argument der Meinungsfreiheit ein gesetzlich kodifizierter Abwehrmechanismus des Angestellten gegen arbeitsrechtliche Sanktionen, welcher jedoch einer ebenso gesetzlich kodifizierten Grenze unterliegt. Zwar ist es dem Menschen möglich, sein Wesen und sein Verhalten im analogen Raum in eine betriebliche und private Sphäre zu unterteilen. Bei der Verwendung von Sozialen Medien ist eine solche Aufspaltung, auch aufgrund der Wirkung von sozialen Medien, jedoch rechtlich schwer zu argumentieren.
Sofern arbeitsrechtlich kodifizierte Richtlinien für die Nutzung sozialer Medien bestehen, sollten diese unbedingt eingehalten werden. Zweifel an deren inhaltlicher Richtigkeit müssen dem geeigneten Forum bekanntgegeben und dort diskutiert werden. Für leitende Angestellte gilt, dass deren öffentlichkeitswirksames Verhalten schneller geeignet sein wird, (zumindest argumentativ) an die Grenzen der Treuepflicht aus dem Anstellungsverhältnis zu stossen oder auch die Zusammenarbeit im Betrieb wesentlich zu beeinträchtigen.
Im Streitfalle ist eine umfängliche Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung aller genannten Faktoren unumgänglich.
[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei personenbezogenen Bezeichnungen stets die männliche Form verwendet. Dies impliziert alle Geschlechter (m/w/d) gleichermaßen.